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Gustav Körner (1809-1896)

zuletzt aktualisiert: 07.05.2009

von Wolfgang Stüken

Gustav Körner (1809-1896)
Gustav Körner (1809-1896)

„Niemals mehr habe ich eine größere Demonstration solcher Menschenmassen gesehen – auch auf dieser Seite des Atlantiks nicht“, schreibt Gustav Körner in seinen Lebenserinnerungen, die er hoch betagt in den USA zu Papier bringt. Mehr als 50 Jahre nach dem Ereignis von 1832 hält er in den 1880er Jahren Rückschau auf ein politisches Fest, das großen und bleibenden Eindruck auf ihn gemacht hatte. Körner beschreibt es als „Volkserhebung“ und schildert: „Die Begeisterung war grenzenlos, und das Gefühl, der Zorn von Königen und Fürsten werde viele von uns treffen, machte dieses Ereignis noch aufregender.“ Der Sohn einer liberalen Buchhändler- und Verlegerfamilie aus Frankfurt am Main erlebt das Mai-Festival am Hambacher Schloss in einer Gruppe von Studenten, mit der er sich wenige Tage vor seiner Promotion als Jurist aus Heidelberg auf den Weg nach Hambach gemacht hat. Damals ist er 22 Jahre alt. Körner tritt beim Hambacher Fest nicht als Redner auf. Er ist auch nicht unter den Organisatoren zu finden. Und doch bildet das Freiheitsfest einen Markstein auf seinem Weg zum Revolutionär. Dieser Weg hat als Student 1828 in Jena mit dem Eintritt in die Burschenschaft begonnen. Nach dem Wechsel des Studienortes wird Körner in München nach den Dezemberunruhen des Jahres 1830 verhaftet. Vier Monate muss er im Stadtgefängnis absitzen, ohne verurteilt zu sein. Danach lässt ihn der Gedanke an einen politischen Umsturz in Deutschland nicht mehr los. Der Frankfurter Burschentag schreibt im Herbst 1831 die „Herbeiführung eines frei und gerecht geordneten und in Volkseinheit bestehenden Staates“ auf seine Fahnen. Dieser Beschluss zur Verschärfung des so genannten Tendenzparagrafen geht auf einen Antrag Gustav Körners zurück.


Im folgenden Frühjahr das Hambacher Fest. Bald nach diesem Massentreffen taucht Körner ab in die politische Untergrundarbeit der Frankfurter Sektion des Press- und Vaterlandsvereins. Beruflich strebt der Jurist Körner in seiner Heimatstadt am Main die Zulassung als Rechtsanwalt an – mit Erfolg. Doch er hat keineswegs nur den Beruf im Sinn. Zehn Monate nach dem Hambacher Fest ist er am 3. April 1833 unter den Anführern des Frankfurter Wachensturmes zu finden. Am Sitz des Deutschen Bundes wollen die Aufständischen eine deutsche Republik und freie Wahlen ausrufen. Doch der Wachensturm scheitert. Körner, beim Angriff auf die Frankfurter Hauptwache verletzt, muss fliehen. Schon nach wenigen Tagen wird er per Steckbrief gesucht. Die nach dem Wachensturm vom Deutschen Bund gebildete Zentralbehörde für politische Untersuchungen wird ihn später in ihrem berüchtigten „Schwarzen Buch“ als Nummer 908 der revolutionärer Umtriebe Verdächtigen führen.


Mit seinem Studienfreund Theodor Engelmann (1808-1889), ebenfalls Teilnehmer des Wachensturmes, setzt sich Körner nach Frankreich ab. In Le Havre schließen sich beide der pfälzischen Auswanderergruppe um Engelmanns Vater Friedrich (1779-1854) an, die gerade dabei ist, per Schiff Richtung USA aufzubrechen. Eigentlich soll Missouri das Ziel sein. Doch auf der Reise von New York dorthin werden die Auswanderer erstmals hautnah mit der Sklaverei konfrontiert, und so entscheiden sie sich für Illinois, weil sie nicht in einem Bundesstaat leben wollen, der die Sklaverei erlaubt. In der Kreisstadt Belleville erwerben sie Farmen und begründen eine Siedlung. Diese wird angesichts des durchweg hohen Bildungsstandes der zumeist politisch motivierten Emigranten bald in weitem Umkreis „Latin Settlement“ genannt. Für eine ganze Reihe politischer Flüchtlinge aus Deutschland werden die „Lateinischen Bauern“ in den folgenden Jahren zu einer wichtigen Anlaufstelle in den USA.


Gustav Körner geißelt in Zeitungsberichten, die in Deutschland veröffentlicht werden, die Sklaverei. Er ergänzt seine juristische Ausbildung um ein einjähriges Zusatzstudium des amerikanischen Rechts und lässt sich als Anwalt in Belleville nieder. Und wird in seiner neuen Heimat bald politisch aktiv. 1842 wählen ihn die Bürger des Kreises St. Clair ins Parlament der Illinois-Hauptstadt Springfield. Drei Jahre später gehört er dem Obersten Gerichtshof dieses Bundesstaates an (bis 1850). 1852 erfolgt seine Wahl zum Vize-Gouverneur. Körner übt das zweithöchste Staatsamt von Illinois bis 1857 aus. In der Republikanischen Partei, zu deren Mitbegründern Körner 1856 zählt, macht er vor und hinter den Kulissen seinen ganzen Einfluss geltend, um die Nominierung von Abraham Lincoln zum Präsidentschaftskandidaten für die Wahl von 1860 durchzusetzen. Das gelingt. Im Bürgerkrieg wird er von Präsident Lincoln zum Oberst und Generaladjutanten der Freiwilligenarmee der Nordstaaten ernannt. Doch Körners Gesundheit spielt nicht mit. Er muss 1862 Abschied aus der Armee nehmen. Der Politik bleibt er treu. Er wird von Lincoln zum Botschafter in Spanien ernannt (1862-1864).


1872 lässt sich Körner in Illinois als Gouverneurskandidat der Liberal-Demokraten (einer Kurzzeit-Episode in der amerikanischen Parteien-Landschaft) und der Demokraten aufbieten. Doch das politische Comeback in der Landespolitik scheitert. Körner konzentriert sich nun stärker auf seine publizistische Tätigkeit. Sein 1880 veröffentlichtes Buch „Das deutsche Element in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 1818-1848“ wird ein Standardwerk für die Erforschung der deutschen Amerika-Einwanderung. Körner verfolgt mit diesem Buch auch das Ziel, die Leistungen der deutschen Amerika-Einwanderer der 1830er Jahre, unter denen sich zahlreiche „Hambacher“ und andere „Vormärz“-Flüchtlinge befinden, nicht hinter denen der forscher und e nergischer auftretenden „48-er“-Immigranten in Vergessenheit geraten zu lassen.


Gustav Körner stirbt 1896 in Belleville. Seine zweibändigen Memoiren erscheinen posthum 1909, dem Jahr seines 100. Geburtstages. 2009, im Jahr seines 200. Geburtstages, wird im Historischen Distrikt von Belleville Körners ehemaliges Wohnhaus restauriert. Hier soll hier ein Museum entstehen, das an den Lincoln-Freund und großen Deutschamerikaner des 19. Jahrhunderts erinnert. In seinen Memoiren schaut Körner auch auf ein besonderes Ereignis des Jahres 1856 zurück. Zum 100. Geburtstag Friedrich Schillers hielt er auf einer großen Feier in Belleville die Festansprache. Und zitierte vor einer ergriffenen Zuhörerschaft jene Worte des Dichters, mit denen schon 24 Jahre zuvor der Redner Karl-Heinrich Brüggemann am Hambacher Schloss die Massen in seinen Bann gezogen hatte: „Wir wollen frei sein wie die Väter waren, eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.“ Körner rezitierte aus „Wilhelm Tell“ – nur wenige Meilen entfernt von der Grenze zu Missouri, das damals noch ein US-Bundesstaat der Sklaverei war.


Literatur:

  • Memoirs of Gustave Koerner 1809-1896. Life-sketches written at the suggestion of his children. Edited by Thomas J. McCormack (zwei Bände). Cedar Rapids, Iowa, 1909.
  • Gustav Körner: Das deutsche Element in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 1818-1848. Cincinnati 1880; 2. Ausgabe New York 1884; Nachdruck mit einer Einleitung in englischer Sprache von Patricia A. Herminghouse, New York 1986.
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Band I: Politiker, Teilband 3, Heidelberg 1999, Seite 135 f.
  • Bernd Häußler: Vom Wachenstürmer zum Vertrauten Abraham Lincolns. Vor 100 Jahren starb Gustav Peter Körner / Anführer der „Vormärz“-Opposition, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.4.1996.
  • Cynthia A. Fuener: A Naturalized Politician. The Life of Gustave Koerner, in: Historic Illinois. Published by the Illinois Historic Preservation Agency, Springfield, Illinois, Vol. 27, No. 5, February 2005.
  • Wolfgang Stüken: Gustav Körner (1809-1896) – Bellevilles berühmter Bürger, in: Bernd Broer, Otmar Allendorf, Heinz Marxkors, Wolfgang Stüken (Hrsg.): Auf nach Amerika! Band 3. Zur Amerika-Auswanderung aus dem Paderborner Land und zur Einwanderung aus Deutschland in die Region der Paderborner Partnerstadt Belleville, Illinois. Paderborn 2008, Seite 145-180.

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